Freeze, Dissoziation und Seelenverlust

Säugetiere und auch Menschen besitzen einen innewohnenden Mechanismus des Nervensystems, der unter hohem Level an Gefahr und Bedrohung mit Starre (Freeze) reagiert. Die bekannten und gängig gelehrten Modi unseres Nervensystems sind 1) Der Sympathikus: Aktivität, Bewegung, Action, Spannung, und dazu gehören auch „fight“ und „flight“; und 2) Der Parasympathikus: Ruhe, Entspannung, Verdauung, Schlaf, Regeneration.

Das „freeze“ als dritte Möglichkeit unseres Nervensystems zu „schalten“ bezeichnet einen biologischen Menchanismus: In lebensbedrohlichen Gefahrensituationen wird extrem viel Energie im Organismus mobilisiert. Es handelt sich um eine immense Lebensenergie, die durch Kampf oder Flucht das eigene Überleben sichern soll. Werden beide Auswege blockiert dann setzt sich diese Energie im Nervensystem fest, es reagiert mit Immobilität, es bleibt etwas hängen, es wird etwas eingefroren. So gibt es einen von Gott (oder der Natur) geschaffenen Mechanismus, der uns aber auch retten kann: das Freeze; eben: „Das Einfrieren“, Erstarren.

Woody Allen sagte einmal: „Wenn ich schon sterben muss, dann möchte ich nicht dabei sein.“ Darum geht es. Das Freeze macht uns den Abgang leichter, man spürt nichts mehr, nicht mal mehr die Emotion Angst. Das Freeze an sich ist nicht das Problem für uns Menschen sondern der Weg aus dem Freeze wieder vollständig herauszukommen ist die Krux.

Man denke da als Mensch auch an die vielen sozialen Konformen, in die man sich (womöglich) presst, oder man ist festgehalten oder es gibt einfach keinen Ausweg, beispielsweise auch als Kleinkind in einem Heim, wo der Haussegen schief hängt, oder bei Missbrauch, Gewalt und dergleichen. So entstehen entweder abrupt oder über einen Zeitraum hinweg (chronisch) diverse funktionale, neurologische, soziale, motorische Dysregulationen, die sich als Phobien, Engegefühlen, Zurückgezogenheit, Kontaktschwierigkeiten, Süchten, Atem- und Verdauungsbeschwerden äußern können. Einzelne Anteile oder Körperregionen in uns werden wie stumm, taub, dumpf, unbewusst oder eben starr und rigide.

Einzelne Schocks oder dauerhafter Stress, wie oben beschrieben, sind es, die uns dissoziieren lassen. Das bedeutet, dass ein Teil unseres Bewussteins aufgrund der zu großen Belastung „herunterfährt“ beziehungsweise sich „verabschiedet“. Wir sind nicht mehr ganz, nicht mehr heil. Schamanische Traditionen benennen diese Symtome als „Seelenverlust“, das heißt ein Anteil der Lebensenergie geht verloren und muss dann in weiterer Folge zurückgeholt oder zurückgerufen werden. Die Frage, die damit einher geht, ist: Wie sehr ist jemand bewusst präsent im Hier und Jetzt? Eine dissoziierte Person kann das selbst vielleicht gar nicht richtig feststellen. Eine kleine Überprüfungsübung dazu wäre, zehn Kieselsteine oder Münzen in seiner Hosentasche aufzubewahren und sie je nach Situation zusammen zu tragen oder zu trennen. Zehn bedeutet, man ist ganz da. Und man fragt sich in regelmäßigen Abständen, zu vieviel Prozent oder zu wieviel Anteilen man „da“ ist. 10/10? Oder vielleicht 7/10? Oder: Zu 100%? Vielleicht 70%? Wo sind die restlichen Anteile zu finden? Das „Wo“ ist vielleicht nur relativ zu beantworten, die Anteile sind jedenfalls nicht aktiv in uns und liegen brach. Womöglich finden sich diese Anteile des Bewusstseins noch in der Kindheit, im Krieg oder im Unfall „hängen geblieben“ und gebunden. „Damals und dort“ statt „Hier und Jetzt“ – Eingefroren auf unbestimmte Zeit, bis man sie wieder zum Auftauen in der Lage ist. Bei starken fürchterlichen Traumatisierungen kann oder will der fehlende „Seelenanteil“ gar nicht mehr so einfach zurück in den Körper, da der eigene Körper der Ort des erlebten Grauens ist. Dann könnte ein längerer Prozess der heilenden Begleitung nötig sein. Und hingegen der Ansicht, dass die Zeit alle Wunden heilt, verhält es sich bei traumatischen Erfahrungen anders und es braucht ein neues bestimmtes Setting und neutrale unaufdringliche Hilfe eines kompetenten und mitfühlenden Menschen, um die Lebensenergie wieder zu wecken (zu rufen?) und in der betroffenen Person wachsen zu lassen. So kehrt die Energie wieder in unsere Zellen und Organe und Glieder, so wie der Saft einer Pflanze, der den Ast oder die Blüte wieder zum Leben und zum Erblühen bringt!

Und hier sind nun drei Beispiele aus dem Tierreich:

Diese Gazelle erwacht genau zum richtigen Zeitpunkt aus ihrer Erstarrung und entkommt ihrem Tod:

Ein Impala, erwacht aus dem Freeze und läuft dann davon. In diesem Video ist der Prozess sogar noch ein bisschen differenzierter zu beobachten: Nach einiger Zeit setzt die Atmung wieder ein, und noch später kann man erkennen wie die Strom- und Schaltkreise des Nervensystems wieder mit lebendigen Informationen geflutet werden. Der Anblick erinnert fast etwas an eine Maschine, die neu gestartet wird, oder an einen Computer, der neu hochgefahren wird:

Und hier sieht man einen Eisbären, der von Überlebens-Energie angetrieben ist und dann betäubt wird, das heißt, dass seine (Flucht-)Funktion des Nervensystems in seiner Situation nicht zum Abschluss gebracht werden kann, sondern unterbrochen wird durch ein Betäubungsprojektil; schließlich kann er sich dann durch unwillkürliches Schütteln von seinem Stresspotential befreien; durch Entladung also: